Auf Messers Schneide

2019-12-02 von Jan-Paul Ritscher 

Unentschieden gegen Königsspringer

Daran muss man sich noch gewöhnen: Die Oberliga wird derzeit von drei bis vier übermächtigen Mannschaften – geboostet mit GM und IM-Power – dominiert, alle anderen Teams, so etabliert sie auch sind, kämpfen gegeneinander um die Vermeidung des Abstiegs. Unter diesem Stern stand auch unsere dritte Runde gegen Königsspringer. Beide Teams noch punktlos, aber beide noch voller Hoffnung, da die ersten beiden Runden gegen Übermacht gespielt wurden.

Ganz sanft nahm der Kampf seinen Anfang am Brett der Ersatzmänner Jörg Lampe gegen Martin: 13 Züge, alle Steine auf dem Brett, remis.

Doch dann platze schon die Bombe an Brett 5. Axel zeigte gegen Max Borgmeyer ein sehenswertes Springer-Opfer zur Freilegung des zentralen Königs. Bewertung von Stockfish trotz Figur weniger +7,5. Also eigentlich Haken dran. Leider konnte Axel nicht der Versuchung widerstehen, spektakulär zu spielen, statt an konsequenter Verstärkung zu arbeiten, und schwupps war der Vorteil auf einen halben Bauern geschmolzen. 35 Züge später war das Remis für Max sogar greifbar nahe, aber dank einer Flüchtigkeit konnte Axel letztendlich doch noch den vollen Punkt einfahren.

Florian ließ sich leider früh in der Eröffnung von Ilja Rossmann zur Schwächung seiner Zentralbauern provozieren. Die Remisbreite war zwar noch intakt, aber mit dem dreizehnten Zug, der erstmals eine Figur vom Königsflügel bewegte, wurde der Schwarze Vorteil deutlicher und ein taktischer Materialverlust brachte uns so die Null an Brett 3.

Marc erspielte sich gegen Adrian Lock aus der Eröffnung heraus klaren Raum- und Positionsvorteil, eigentlich ein Spiel auf ein Ergebnis. Leider wollte Marc den entscheidenden Schlag wohl zu früh setzen, statt nochmal die Figurenharmonie zu verbessern. Nachdem er eine taktische Abwicklung nicht erkannte, die klaren Vorteil ergeben hätte, musste er gegen gleich mehrere Minusbauern ankämpfen – leider erfolglos, hier war sicher mehr drin!

Gleiches gilt für Hans gegen Jan-Peter Schmidt. Geschickt hatte Hans nach und nach die Initiative übernommen... um dann den eigentlich logischen Knock-out im 35. Zug nicht zu setzen. Auch hier wäre immer noch eine Punkteteilung das „natürliche“ Ergebnis gewesen, aber eine kurze Entblößung der Grundreihe endete sogar noch im Verlust.

Beim Spiel von Gerrit gegen Friedrich Wagner praktizierten beide das Prinzip unentschlossener Aktivität: Jeweils kreative Ansätze zur Gewinnung der Initiative wurden im letzten Moment abgebremst, so dass die Vorteile mal hüben, mal drüber zu finden waren. In der sechsten Stunde dann spielte Gerrit seine Jugend aus. Das Gleichgewicht der Stellung war kaum übersehbar, aber das ist ja kein Grund, gleich remis zu machen (Lernen von Carlsen!). Eine Unachtsamkeit des Gegners reichte zum Bauern und damit Spielgewinn... und damit als Bonus den notwendigen Elo-Punkten zur Erreichung des FIDE-Meister-Titels! Da freut sich auch der Trainer!

Geradezu meisterlich spielte auch Uwe gegen Jakob Pfreundt. Sehr umsichtig knöpfte sich Uwe gegen massive Verteidigung einen einsamen schwarzen Bauern vor und gewann ihn. Als Brettnachbar hatte ich große Freude, da zuzuschauen! Als der zweite Bauer fiel, war ich dann sicher, dass dies ein voller Punkt würde, aber oh je: Im Endspiel gelang es Jakob, einen Bauern zurück zu holen und nachdem Uwe nicht konsequent Bauerntäuschen ausgewichen war, opferte sich der schwarze Springer gegen den letzten Bauern und es blieb nur ein Remis.

Bleibt noch meine Partie gegen Julian Zimmermann, der (wie immer ) auf Suche nach viel Aktivität zweischneidige Entscheidungen nicht scheute. In besserer Kenntnis der Aljechin-Strukturen konnte ich gegen seine Ansturm zwar einen Bauern erobern, aber insbesondere im Zuge knapper Zeit war der kaum zum Erfolg zu verdichten. Erst die Züge, die Julian darauf verwandte, den Minusbauern zurückzuschlagen und materiellen Ausgleich zu erhalten, eröffneten mir starke Aktivität über die jetzt offenen g-Linie. Hier fand ich nach der Zeitkontrolle auch die meisten richtigen Züge, die am Ende (=über 6 Stunden gespielt) zu einem technisch eingefahrenen vollen Punkt reichten. Am Ende stand dann also nach Aufholjagd ein 4:4, mir scheint aber, dass in der Summe ein Sieg mehr als greifbar war.

In zwei Wochen geht es weiter, gegen die Aufsteiger von Dopperlbauer Kiel

Wen die einzelnen Partien interessieren: Auf https://www.schachbund.de/SchachBL/bedh.php?liga=olnn sind alle Oberliga-Partien zum download verfügbar.

 
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